5 Jahre, ein Rückblick

Mit dem 2. November hat sich der Tag meiner Selbstständigkeit bereits zum fünften Mal gejährt und ich kann zum Teil immer noch nicht fassen, wie unglaublich schnell die Zeit vergangen ist. An dieser Stelle möchte ich kurz die Ereignisse der vergangenen Jahre Revue passieren lassen und ein wenig auf die Schwierigkeiten und ungewohnten Erfahrungen aufmerksam machen, die mit der Entscheidung "Selbstständigkeit" einher gegangen sind. Um hier eine möglichst realistisches Aussage machen zu können, habe ich die drei häufigsten "Feststellungen" (die auch ich in den letzten Jahren immer wieder zu hören bekommen habe) auch an andere Einzelunternehmer weitergeleitet und ihre Antworten eingearbeitet. Sie sollen angeblich die größten Vorteile der Selbstständigkeit sein. Ich beziehe mich hier allerdings primär auf die Erfahrungen aus meiner Branche; individuelle Erfahrungen in dieser und anderen Branchen können (und werden) variieren.

1. Du bist Dein eigener Chef (bzw.: niemand macht Dir Vorschriften)
Richtig, das bist Du. Mit allen Konsequenzen. Du musst Dich selbst um die Kunden und die damit verbundenen Aufträge kümmern. Du musst auch den gesamten Schriftverkehr selbst abwickeln und das kann mitunter Zeit kosten. Viel Zeit. Und ich meine nicht nur Angebote und Rechnungen, nein, auch das Mahnwesen darf man nicht vergessen. Denn - obwohl nicht viel darüber geredet wird - Zahlungsverzüge sind an der Tagesordnung und die Zahlungsmoral schwankt von Zeit zu Zeit teilweise extrem. Wenn man aus einem Angestelltenverhältnis kommt, kann dieser plötzliche Mehraufwand ziemlich überraschend sein; auch, wenn man eigentlich damit gerechnet hat.

2. Du verdienst mehr (bzw. Du bestimmst, wie hoch Dein Gehalt ist)
Da kann ich nur zustimmen. Wow, was da plötzlich für Summen stehen. Leider stehen sie nicht nur auf Rechnungen die man Kunden stellt, sondern auch auf den Forderungen von Finanzamt und Sozialversicherung. Dazu sollte man noch Versicherungen, Büromiete, Betriebskosten, Firmenhandy, Internet, Verbrauchsmaterialien, das Arbeitsequipment und noch viele andere Kleinigkeiten zahlen, die für den reibungsfreien Betrieb eines Büros erforderlich sind. Unterm Strich bleibt etwa gleich viel (in den ersten Jahren aber eher weniger) hängen, als man vorher verdient hat. Und davon kann man sich dann den Gehalt zahlen. Vor allem am Anfang muss man froh sein, wenn es für die monatliche Miete reicht.

3. Du kannst arbeiten wann immer Du willst (bzw. Du bestimmst, wann Du Urlaub machst )
Ach ja... der Wecker klingelt und Du denkst Dir "jetzt aufstehen? Neee... ich bin doch der Chef, also fange ich heute erst um 11 Uhr an. Einfach umdrehen und weiter schlafen". Hättest Du wohl gerne! Viele Firmen wickeln ihre Hauptkommunikation am Vormittag ab und sind am Nachmittag entweder in Besprechungen, im Außendienst oder am Arbeiten und wollen/sollen nicht gestört werden. Dein Arbeitstag beginnt, wenn andere es Dir befehlen. Kunden die anrufen, Termine vereinbaren, oder sich nach dem Stand eines Projekts erkundigen möchten. Du musst erreichbar sein, also beginnt Dein Arbeitstag spätestens um 8 Uhr. Dass Du dann aber arbeiten kannst, wann immer Du willst, stimmt soweit: keiner stört sich daran, wenn es 22 Uhr, oder später wird. Und eines kannst Du Dir sicher sein: die erste Zeit wird Dein Tag deutlich mehr als die gewohnten 8 Stunden haben. Aber es ist ein "anderes", ein angenehmeres Arbeiten. Du wirst kaum merken, wie schnell die Zeit verfliegt.

Mein Fazit nach 5 Jahren
Es ist ein harter und steiniger Weg in die Selbstständigkeit. Vom ersten "hallo, ich habe eine Firma angemeldet" bis zu dem Zeitpunkt wo Du dann auch für Deine Arbeit von Kunden akzeptiert und respektiert wirst, wird einige Zeit vergehen. Du wirst härter und länger arbeiten, als Du es in einem eventuell vorangegangenen Angestelltenverhältnis je getan hast und wirst wahrscheinlich weniger dafür bezahlt bekommen.
Es gibt auch Sonnenseiten: Es ist ein angenehmes Arbeiten, da Du ja (hoffentlich) tust, was Dir am meisten Spaß macht (sofern Du Deinen Job auch gerne machst). Den Stress - der mit fast jedem Job einhergeht - nimmst Du kaum wahr. Wenn Du jetzt auch noch interessante und abwechslungsreiche Dinge tun kannst, ist es arbeitstechnisch ein Jackpot.
11/15/2012 - 6:27pm

Comments

besucher
11/16/2012, 11:06am
siehst du das nicht ein bisschen zu schwarz?
KIENI
11/16/2012, 2:53pm
Nicht wirklich. Wie ich Eingangs bereits erwähnt habe, können (und werden) individuelle Erfahrungen differieren. Wenn Du Deine Firma mit einem "Wahnsinn-muss-haben"-Produkt eröffnest (um das sich Deine Kunden regelrecht streiten) werden Deine Erfahrungen wahrscheinlich grundsätzlich anders sein.
six-of-five
11/17/2012, 6:28pm
und nach 5 jahren bist du jetzt glücklich, oder?
*zensiert*
11/18/2012, 12:53am
1. Falsch ... du bist nicht dein eigener Chef. Du hast jetzt 10 oder 20 Chefs / Kunden die dir ständig Vorschriften machen wollen. Als Selbstständiger bist du ganz unten... weil das musst du alles unter einen Hut bringen. Solange du voll im Tagesgeschäft gefangen bist und nichts an Mitarbeiter delegieren kannst wird sich das auch nie ändern.

2. Am Anfang? Du meinst wohl eher es wiederholt sich ständig. Einmal läuft es gut... dann wieder schlecht. Die meisten Leute können damit nicht umgehen... wollen trotzdem ein geregeltes Leben wie vorher haben. Das sind die welche nach drei Jahren wieder einen Job suchen und vergessen haben dass das AMS dem gescheiterten Selbstständigen kein Geld geben will. Oder geh zur Bank... Finanzierung für Wohnung. Ja wir sind die Lieblingskunden der Banken. Jeder Arbeitslose ist besser dran weil er einen regelmäßigen Geldeingang hat. Das ist wirklich ein großes Problem.

3. Falsche Taktik... um 8 Uhr überlegst du erstmal ob du wirklich aufstehen willst. Um 11 Uhr bist dann wirklich im Büro und erzählst deinen Kunden das du auf Termin warst. Und warum macht man das? Weil das der einzige Vorteil ist den du hast. Kein Mensch interessiert sich dafür wann du arbeitest. Das fällt eindeutig unter Kundenerziehung. Du bist Dienstleister... das ist dein Ding. Und 80 Stundenwochen bringen langfristig nichts... durch mehr arbeiten verdienst du nicht mehr Geld.

Fazit: Es ist keine große Sache mit der Selbständigkeit... es hat sich nichts verändert. Der Dispo ist ständig am Limit... wenn du dann nicht mal mehr die SVA bezahlen kannst stehst kurz vor dem Ende und irgendwann ist halt fertig... und wenn es als Arbeitnehmer deinem Chef nicht besser geht dann wirst du halt früher oder später gekündigt. Und Kundenkontakt hatten wir alle vorher schon. Also was ist so viel anders? Einzig und alleine die freie Zeiteinteilung... nur darum tun wir das.
KIENI
11/19/2012, 10:51am
@six-of-five: "glücklich" ist ein weitläufiger Begriff. In einigen Situationen ja, in anderen wiederum nicht.

@*zensiert*: Okay, das sind ein paar rabenschwarze Ansichten; aber Du hast nicht vollkommen Unrecht damit. Man muss jedoch auch sagen, dass das ein Extremfall ist. Genau wie der, der mit einem wahnsinnig guten Produkt anfängt, ebenso ein Extremfall ist. Irgendwo dazwischen befindet sich die Realität und wird sich für jeden Selbstständigen anders gestalten.
Maxi
02/13/2013, 4:43pm
Gut gemacht, Kieni. Auf die nächsten 5 Jahre!
KIENI
02/19/2013, 12:13pm
Danke, darauf stoße ich an

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